Dienstag, 6. Juli 2010

Interview: Nun schweigt die Höh

"Nicht gerade bergauf geht es mit Voerde, obwohl es mühsam genug für den Rat zu sein scheint, sich stadtgestalterisch an der Erdoberfläche Denkmäler zu setzen. Kein Hochhausanbau, kein Voerder Tor, kein Vertikales Voerde. Statt dessen gibt's "Kartoffeln für Möllen" und Neonröhren am Schinkel'schen Kirchturm, in Gestalt von Gleisen freilich, dank Sponsoring des allgegenwärtigen VVVs (Voerder-Verkehrs-Verbund). Lieber bewegt man sich unter Tage in geordneten Bahnen, und über Tage, wo sich schon lange Däumchen statt Krane drehen, macht man Kreise."

Unser Blog hat sich mit dem umstrittenen Voerder Historiker und Kulturkritiker Friedrich Baettgens über die oft beklagte Lage der Stadtplanung unterhalten.

U-topia: Herr Baettgens, es gab in den 80er Jahren an prominenter Stelle ein Graffiti "Stadt Voerde Stadt, Voerde platt!". Laut der Aussage kritischer Bürger trifft dies heute noch zu. Würden Sie dem zustimmen?

Baettgens: Ja. Ich habe diese Schmiererei damals gesehen, darüber geschmunzelt und gedacht, das könnte von mir sein. Heute sehe ich das anders. Heute würde ich vielleicht schreiben "Statt Voerde Stadt, Voerde platt".

U-topia: Weil Sie noch immer für eine Rückkehr zur Gemeinde Voerde und einem Kirchspiel Götterswickerham eintreten?

Baettgens: Nein, das waren damals nur Gedankenspiele. Lieber sähe ich, dass sich die Kommunalreform in der ursprünglichen Fassung durchgesetzt hätte.

U-topia: Das heißt, Voerde wäre je zur Hälfte entlang der Grenzstraße an Dinslaken und Wesel gefallen?

Baettgens: Richtig. Man hätte damit ein Schlußstrich ziehen können. Das Ende eines Flickenteppichs, einer Zwangsehe zwischen Bauernschaft und Truppenübungsplatz. Aber das meinte ich nicht. Wie Sie vielleicht wissen bin ich seit einigen Jahren engagierter Kritiker der Voerder Bebauungspolitik. Vielleicht habe ich den status quo als sogenannte Stadt hingenommen, nicht aber das, was der Stadtrat damit anstellt. Ich kann damit leben dass Voerde Stadt sein will, was übrigens völlig absurd ist, nicht aber mit dem Wie.

U-topia: Und wie will Voerde Stadt sein?

Baettgens: Vorallem unter Tage, wie mir scheint. Doch dazu später bitte. Die Stadt verspricht seinen Zuwanderern ein idyllisches Landleben vor den Toren des Ruhrgebiets. Wer jedoch ohne Vorbehalt hier hereinfährt findet einen entvölkerten Stadtkern ohne Seele vor. Wie Bukarest: Betonwüsten, Brachflächen und Brunnen, die längst versiegt sind. Das übrigens ist exemplarisch! Der Brunnen, als letztes Attribut einer dörflichen Idylle. In Voerde entweder verschwunden oder versteinert. Der Markplatzbrunnen ist weg. Ebenso der Spellener. Bei dem an der Bahnhofstraße hat man das Wasser durch Beton ersetzt. Das muss man sich mal vorstellen.

U-topia: Bliebe noch das Gewässer im Helmut-Pakulat-Park ...

Baettgens: Kommen Sie, das ist doch kein Brunnen! So etwas nannte man früher Kloake, besser bekannt als "Pissrinne". Das ganze mündet dann in einer frivolen neo-römischen Badewanne, in dem die Hunde ihre Gemüter kühlen. Wieder so ein Beispiel für gut gemeinte Fehlinvestition. Wobei mir die Finanzen leidlich egal sind, schließlich stehe ich der FDP nicht all zu nahe.

U-topia: Sind diese Versuche, Naherholungsräume zu schaffen nicht auch exemplarisch?

Baettgens: Ja, denn sie sind allesamt gescheitert. Voerde hat mehr Parkdecks als Parkanlagen. Wo die Menschen wandern, entstehen Gewerbegebiete. Haus Voerde mit seinem Park der Ringe, ein Ewigkeitsprojekt, geschaffen in der Hoffnung, jemand möge in naher Zukunft vergessen, dass er gebaut werden soll. [...]

Hinweis: Ein komplettes Transscript dieses Interviews wird i.M. erstellt. Es wird an dieser Stelle in Kürze zum Download bereitstehen.

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