Donnerstag, 22. Juli 2010

Rund um Rhynum

Wer dieser Tage den automobilen Weg antritt, um von Mehrum nach Götterswickerhamm zu gelangen, der muss lange Umwege durch die Voerder Puszta in Kauf nehmen. Irgendwo zwischen Wurm und Storch führt ihn die hastig zusammengestampfte Rollbahn auf verschlungenen Wegen dahin, Wege, die nie einer kannte und auch sonst niemand befährt, außer John Deere vielleicht.

Grund für die abenteuerliche Umleitung - bei der sich so mancher, der Leergut zu Trinkgut bringt, oder Eier von Edeka (im Neudeutsch "E-Center") heimwärts, an "Lohn der Angst" erinnert fühlt - ist der Zusammenschluss der U2-Trasse zwischen "Haus Mehrum" und "Görsicker". Wo bald die schmucke Haltestelle auf der Deichkrone mit kleinem Backshop und Kaffeebüdchen (welches im Moment noch behelfsmäßig auf dem Parkplatz am Storchennest residiert) an das untergegangene Rhynum erinnern wird, wälzen sich im Moment noch die Bagger im Schlamm. Grund für den landschaftlichen Kahlschlag ist die etat-politische Endscheidung, die Strecke nicht per Schildvortrieb voranzutreiben, sondern diese im neuen, erhöhten Deich einzugliedern. Dieser neue Hochwasserschutz wird bekanntlich aus Landesmitteln und zu einem nicht unerheblichen Teil aus der Schwarzgoldkasse der DSK (Deutsche Steinkohle AG) finanziert. Nun bekommt dieser Damm als kostengünstige Beigabe eben noch eine quadratische Betonröhre als Spina dorsalis, in dem sich die U-Bahnen frei und unbehelligt vom benachbarten Strom bewegen können.

Deichgraef Renko Carl-Frieder Bernward von Salm-Hoogstraten zeigte sich anlässlich der gestrigen Deichbegehung zufrieden mit den Fortschritten vor Ort. Er begrüßte im Namen der Voerder Deichschau die Entscheidung des Rates, den von Bergsenkung und Klimaerwärmung stets gefährdeten Deich durch einen betonierten Betonkern, welcher die Gleise der U2 führt, äußerst langfristig zu sichern. Die Ängste einiger Anwohner, die U-Bahn könne mit ihren Erschütterungen für Instabilität des Deichkörpers sorgen, nahm er interessiert auf, als sie ihm von den Kuhweiden am Deichfuß zugerufen wurden. Den drei bis vier anwesenden Mehrumer Demonstranten samt Bettlaken ("V V V - Schluss mit U-Bahnbau!") kam er insofern entgegen, als dass er sich von der Deichkrone herabließ, um ihnen mit wahrhaft adliger Gewandheit Rede und Antwort zu stehen. Es bestünde kein Anlass zur Sorge, so von Salm-Hoogstraten, der fertige Deich wäre nicht nur einer der höchsten dieser Welt, sondern auch einer der sichersten. Mit seinem eisenarmierten Betonkern wäre er kaum zu zerstören, das Gleisbett sei beweglich aus absorbierendem Gestein geschaffen, und weitere Bergsenkungen würden die gefugten Teilstücke des Tunnels flexibel verkraften. Fast über eine Stunde erläuterte der Deichgraef geduldig die neuzeitliche Tiefbaukunst am Rhein, und regte an, besorgte Bürger in einer öffentlichen Anhörung in der Alten Schule Löhnen zu empfangen, für alle, die es an diesem Tag nicht zum spontanen Ortstermin geschafft hätten. Murmelnd ging man auseinander, jedoch ist es fraglich, ob die Kritiker damit milder gestimmt wurden. Jedenfalls konnte man heute an der Betonwand in Höhe der Nato-Rampe lesen "Denn eins ist sicher: Der Deich", gesprüht in kunstvollen Silberlettern mit roter Outline, der Handschrift von VUG's Chefwriter Ditz.

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